Quick Freeze, Quick Freeze Plus und die VDS - 17.11.2010
Im Telemedicus stellt sich Simon Möller im Beitrag Kommentar: Schaar ein "Verräter"? hinter Schaars sogenanntem "Quick Freez Plus" Vorschlag, in dem Schaar eine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung sieht. Mit den Aussagen, wie und was ein Datenschutzbeauftragter zu sagen oder nicht zu sagen hat, stimme ich überein. Wobei ich es gleichzeitig sehr paradox, strategisch unklug und nicht nachvollziehbar halte, innerhalb eines kurzen Zeitraums von der Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung zur Befürwortung einer "kleinen" Vorratsdatenspeicherung zu kommen und das auch noch mit haargenau der gleichen Rhetorik, die alle Verfechter und Pusher der Vorratsdatenspeicherung gegen die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung auffahren. Da muss sich doch einiges im Kopf gedreht haben.
Ein anlass- und einzelfallbezogenes und nachträgliches Quick Freeze ist eben auch nicht das Gleiche wie ein permanent präventiv stattfindendes "Quick Freeze Plus" aller Verkehrsdaten. Deshalb ist es auch nicht "die konsequente Umsetzung des Quick Freeze-Gedankens". Eine aktuelle Antwort auf den Telemedicus Beitrag (um die es eigentlich geht), warum Quick Freeze Plus langfrisitg nur ein Einfallstor für die eigentliche Vorratsdatenspeicherung ist, eine mögliche Hintertür für Sicherheitspolitiker, um über die Hintertür der "kleinen" Vorratsdatenspeicherung für "ja nur zwei Wochen" doch die "große" - alte Vorratsdatenspeicherung für zwei, drei und mehr Monate zu erhalten, findet sich im Zeit Artikel Innenminister will mehr Polizei in "islamische Viertel" schicken zur aktuellen Innenministerkonferenz. Dort heißt es zur VDS aus dem Mundes des Vorsitzenden der Konferenz, Vahldieck von der CDU: "Vahldieck sagte, sowohl für den Kampf gegen Kriminalität als auch zur Abwehr von Gefahren sei die Speicherung von Telefon- und Internetdaten zwingend notwendig. Auf eine Dauer wollte er sich nicht festlegen. "Es muss um einige Wochen oder Monate gehen." Und ich halte sowohl die Telemdicus-Leute als auch die Datenschutzbeauftragten für nicht naiv, sondern für so intelligent, um zu wissen, dass es nie bei zwei Wochen bleiben würde. Deshalb ist das Ganze leider eigentlich eine Geisterdebatte mit schädlichen Wirkungen. Googles Street View - 13.08.2010
Was haltet Ihr eigentlich von den Diskussionen um Google Street View und den Widersprüchen, die man dagegen einlegen kann?
Ich bin da z. Zt. zwiespältiger Meinung. Mir gefällt der sommerlöchrige Negativ-Hype und die Konzentration auf Google überhaupt nicht. Ich finde, dass es schon einen Unterschied macht, ob ein Heer von Privatpersonen mit ihren Digicams durch die Straßen zieht und Aufnahmen zu privaten Zwecken (wenn auch mit zusätzlicher Zurschaustellung über die Foto- und Videoportale) ohne Profitabsichten oder Data Fusion Aktionen macht oder ein Konzern wie Google, dessen Produkte nicht nur für eigene Interessen auf den Markt kommen, sondern auch von Sicherheitsbehörden genutzt werden. Aber andererseits - was ist jetzt genau der Unterschied zu Google Earth und ähnlichen satellitengestützten Diensten, die stillschweigend von allen genutzt und akzeptiert werden - doch eigentlich nur die horizontale statt der vertikalen Perspektive. Und was die Perspektive angeht, trifft ein Interesse an Googles Erderschließung auf ein nahezu völliges Desinteresse an der Erderkundung und -aufklärung durch ein immer größer werdendes Kontingent an Überwachungs-Drohnen und -Satelliten der zivilen und militärischen Sicherheitskräfte. Fühlt man seine Privatsphäre dort besser geschützt und aufgehoben? Und sofern Personen und PKW-Kennzeichen tatsächlich und nicht reversibel unkenntlich, also nicht identifizierbar gemacht werden, Google keine Aufnahmen von privaten "Räumen" oder in private "Räume" hinein für Street View macht und es kein Echtzeit-System ist, in dem man Personen und Fahrzeuge live verfolgen kann, wäre ein Profiling und Tracking schwierig bis unmöglich. Dann denke ich wiederum an den Versuch der systematischen und gleichzeitigen Erfassung und Kartierung von WLAN-Hotspots oder dem vermuteten Interesse Googles, Google Earth mittels Nahaufnahmen per Quadrocopter-Drohnen in die "Tiefe des Raumes" aufzurüsten (beides lässt sich auch kombinieren), um mal einen militärischen Begriff zu verwenden. Das steht eigentlich nur für ein paar von vielen Layern, die sich zukünftig zusätzlich zu den bekannten "Ansichten" über Google Earth, Street View und Maps legen könnten. Denkt man diese Layer mit Geolokalisierungs- und Identifizierungs-Funktionen in bald allen technischen "Beacons", die man am oder irgendwann im Leib bei sich trägt, dem Drang, die komplette Realwelt per Ubiquitous Computing und Augmented Reality mit virtuellen Layern zu überlagen bzw. zu erschließen oder den gleichen Drang zur Datenverarbeitung und -visualisierung in Echtzeit mit Googles Street View zusammen und weiter, dann kommt man irgendwann woanders hin. Zu einer Verschmelzung aller Google Erderfassungssysteme, in der Bilder, Aufnahmen und Daten dynamisch, fast "lebendig" generiert und dargestellt werden, in denen jedes sich darin bewegende oder befindliche Objekt von einem sematischen Web an Zusatzinformationen, Querverweisen und Ursprüngen umgeben ist. Und zu den Objekten könnten dann auch ich mit meinen Arbeits- und Lebensorten zählen. Vorbeugend und als Signal doch Widerspruch gegen Street View einlegen?
Geschrieben von Kai Raven
in CCTV / Video, Datenschutz, Drohnen, Geheimdienst / Polizei, Gesellschaft, Grundrecht, Politik
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12:53
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Wenn man YouTube per Tor und die Türkei besucht - 29.06.2010![]() Das letztgenannte Gesetz ist übrigens ein ähnlich unsägliches Zensur-Gesetz zur Unterbindung von Kritik und Meinungsfreiheit, indem man den Schutz des Staatsgründers Atatürk vor Verunglimpfung vorschiebt, wie zum Beispiel die Gesetze gegen "Majestätsbeleididigung" in Thailand. Etwas gibt es ja immer, um Internet & Web "durchzuregulieren". Ne, wenn ich so etwas sehe, würde ich auch sagen, die Türkei ist noch nocht reif für die Europäische Union, wenn es nicht in allen Mitgliedsstaaten und ausgehend von der EU-Kommission gleichartige Bestrebungen und praktische Durchführungen zur Zensur geben würde. P. S.: ExludeExitNodes {tr} in torrc. Siehe auch auf der Zensur Unterseite im AnonWiki: Türkei Thailand
Geschrieben von Kai Raven
in Anonymität, Grundrecht, Politik, Zensur / Filter
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15:12
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Beschwert euch gegen ELENA in Karlsruhe - 15.03.2010
Der FoeBuD e. V. ruft alle Arbeitnehmer, die direkt vom ELENA Verfahren betroffen sind, dazu auf, sich bis 25.03.2010 an der Mitzeichnung der Verfassungsbeschwerde gegen ELENA zu beteiligen, die am 31.03.2010 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht wird. Welche Daten per ELENA-Verfahren in einem Datenspeicher auf Vorrat und auf Abruf für diverse Behörden gespeichert werden, kann man u. a. auf der Seite Informationen zu ELENA erfahren.
Auch wenn man im März 2010 selbst nicht zum Kreis der Betroffenen zählt, weil man z. B. arbeitslos oder Hausmann/Hausfrau ist, sollte man diese Informationen aufnehmen und an entsprechende "Zielgruppen" im eigenen Bekannten-, Freundes- und Verwandtenkreis weitergeben. Irgendwann ist man vielleicht wieder unfreiwilliger Datenlieferant für ELENA oder man ist derjenige, dem die abgerufenen Daten vorgehalten werden, weil man staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen muss oder irgendwelchen Behörden zusätzlich Zugriffs- und Abrufrechte eingeräumt wurden, wenn es nicht die eigenen Kinder sind, die in Zukuft eine Suppe auslöffeln müssen, die ihnen heute informationshungrige und kontrollwütige Politiker eingebrockt haben. Also beteilige sich wer kann und ansonsten: Verbreitet die Informationen. Siehe auch: BITKOM e. V. (natürlich) - BITKOM fordert, an Einführung von "Elena" festzuhalten (19.03.2010)
Geschrieben von Kai Raven
in Anti-Überwachung, Data Mining / Fusion, Datenschutz, Gesellschaft, Grundrecht, Politik, VDS
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15:39
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Daten-Nacktscanner - 10.03.2010
Der Artikel Verbotsschilder auf der digitalen Spielwiese von Patrik Maillard in der Wochenzeitung beschreibt plastisch und praktisch (und ich denke für jeden verständlich), welche negativen Auswirkungen für die Internetnutzung, Providervielfalt, Informationsangebote, Meinungs- und Rezipientenfreiheit ins Haus stehen, wenn sich Internet Provider vom Prinzip der Netzneutralität abwenden und sich intensiv Deep Packet Inspection Techniken zuwenden – entweder aus Profitinteressen oder aufgrund politischer Zwänge.
Geschrieben von Kai Raven
in Grundrecht, Internet / TeKo, Ökonomie, Politik, Zensur / Filter
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19:08
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Wortwechsel um VDS-Urteil und Datenschutz - 06.03.2010
In der "Wortwechsel" Reihe des Deutschlandradios kam gestern mit dem Titel Datenspuren im Internet - Was schützt uns vor Mißbrauch? (MP3) eine interessante und informative Diskussion mit 52 Minuten, die sich immer wieder um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, seinen Konsequenzen und den akut herumschwirrenden Debatten drehte und zur anderen Hälfte um den praktischen Schutz vor Datenmißbrauch, den Datenbrief und kommerzielle Datensammler, Netzpolitik in Richtung der neuen Internet Enquête-Kommission, einer von der FDP ins Spiel gebrachten "Stiftung Datenschutz" oder eines vom BITKOM favorisierten "Staatsministers Internet", europäische und nationale Datenschutzstandards.
Es diskutieren der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, Andreas Bogk vom CCC, Thomas Mosch vom BITKOM, Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Geschrieben von Kai Raven
in Datenschutz, Geheimdienst / Polizei, Grundrecht, Politik, Radio, VDS
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21:17
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Das vorläufige Stopp-Schild für die Vorratsdatenspeicherung - 02.03.2010
Anlässlich des Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung Anfang 2009 und vor dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen zum Bereich der inneren Sicherheit im September 2009 hatte ich zuletzt versucht, einen Blick auf den möglichen Ausgang der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung zu werfen. Dem waren seit 2002 Beiträge zur Vorratsdatenspeicherung auf der Homepage und später hier im Blog vorangegangen.
Die Höhepunkte im langjährigen Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung stellten ohne Zweifel die Freiheit statt Angst Demonstrationen und die Durchführung der Sammel-Verfassungsbeschwerde dar, die u. a. vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wie so viele andere Aktionen organisiert wurde. Im Großen und Ganzen entsprach die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht meinen Erwartungen. Wie bereits zuvor bei ähnlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch hier mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Titel der Pressemitteilung zum Urteil – Konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß –, auf die sich dieser Beitrag stützt, brachte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eigentlich schon sehr gut auf den Punkt. Sprich, die bisherige Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung in das Telekommunikationsgesetz (im Kern § 113a TKG und § 113b TKG) und die Strafprozessordnung (im Kern § 100g StPO), sowie die Anwendung der Gesetze und Nutzung der auf Vorrat gespeicherten Verkehrs- und Internetzugangsdaten ist zunächst einmal für nichtig und verfassungswidrig erklärt worden. Das schließt positiv auch ein, dass alle seit Inkrafttreten des Gesetzes gespeicherten und genutzten Vorratsdaten bei Providern und staatlichen Stellen unverzüglich zu löschen sind! Das heißt, es muss reinen Tisch mit allen Daten gemacht werden und der Stand bleibt bis zu einer Novellierung der gesetzlichen Vorschriften bei 0, was bereits einen guten Erfolg der Verfassungsbeschwerden darstellt. Die Vorratsdatenspeicherung ist jedoch – wie erwartet – laut des Gerichts nicht an sich verfassungswidrig, denn das Gericht stellte fest, dass "eine Speicherungspflicht in dem vorgesehenen Umfang nicht von vornherein schlechthin verfassungswidrig ist", in Bezug zur EU-Richtlinie und der abgewiesenen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, dass mit dem Inhalt der EU-Richtline, "die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden kann" und "das Grundgesetz eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen verbietet". Später heißt es in Bezug zum Art. 10 GG ("Telekommunikationsgeheimnis") weiter, dass die Vorratsdatenspeicherung "für qualifizierte Verwendungen im Rahmen der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der Nachrichtendienste (...) mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar ist" und "bei einer Ausgestaltung, die dem besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung trägt, eine anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht schon als solche dem strikten Verbot einer Speicherung von Daten auf Vorrat im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfällt", denn "eingebunden in eine dem Eingriff adäquate gesetzliche Ausgestaltung kann sie den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen". Auch den wiederholt vorgebrachten Argumenten der Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden, dass für sie angesichts der steigenden Vernetzung, Nutzung des Internets und der Mobilfunkkommunikation die Vorratsdatenspeicherung unerlässlich sei, folgte das Gericht mit der Feststellung, dass "eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen daher für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung ist." Sprich, macht die Regierung zukünftig ihre Aufgaben richtig und folgt den Rüffeln und Vorgaben des Urteils, wird die Vorratsdatenspeicherung nach der Novellierung fortgesetzt und nicht durch das reine Quick Freeze Verfahren für Verkehrsdaten ersetzt. Es sei denn, das neue Gesetz würde seinerseits neue Angriffspunkte bieten oder die EU-Richtlinie würde signifikant geändert oder gar aufgehoben werden, womit wohl nicht zu rechnen ist. Wie groß die Auswirkungen der beabsichtigten Überprüfung der EU-Richtlinie sind, die von der EU-Justizkommissarin Viviane Reding und der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström angekündigt wurde, steht noch in den Sternen. Es wäre aber vielleicht intelligent und vorteilhaft für die Bundesregierung, das Ergebnis dieser Überprüfung abzuwarten und ggf. bei der Novellierung zu berücksichtigen. Also eine Atempause, mit Aussicht auf eine Vorratsdatenspeicherung, die verhältnismäßiger, zweckgebundener, eingeschränkter und "abgesicherter" durchgezogen wird, mit dem Auftrag an jeden einzelnen Internet- und Telekommunikationsteilnehmer, sich weiter praktisch mittels Anonymisierungs- und Verschlüsselungstechniken und entsprechenden Verhaltensweisen um die Umgehung und Verhinderung der Erhebung seiner Daten für die Vorratsdatenspeicherung zu bemühen. Das die Bundesregierung und die zustimmenden Parteimitglieder des Bundestages wie so oft zuvor bei der Sicherheitsgesetzgebung mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung schludrig, im Schnellschuss und verfassungswidrig gehandelt haben, stellte das Bundesverfassungsgericht mit der Kennzeichnug der jetzigen Vorratsdatenspeicherung fest:
Die großen Verlierer des Urteils sind alle Diensteanbieter und Provider, die zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet sind, denn der bisherigen Strategie vor Gerichten, der Vorratsdatenspeicherung sei aufgrund der hohen Kosten, der Wettbewerbsverzerrungen und des steigenden Personal- und Hardareaufwands zu begegnen, erteilte das Gericht im Punkt "Vereinbarkeit mit Art. 12 GG" eine Abfuhr: Die Vorratsdatenspeicherung hält das Gericht für die Betroffenen "für nicht übermäßig belastend", sie ist bezüglich der "finanziellen Lasten nicht unverhältnismäßig" und "gegen die erwachsenden Kostenlasten bestehen keine grundsätzlichen Bedenken", denn die Kosten werden ja vom Gesetzgeber nur "insgesamt in den Markt verlagert" und so, wie "neue Chancen der Telekommunikationstechnik zur Gewinnerzielung" genutzt werden können, müssen die Telekommunikationsunternehmen halt auch "die Kosten übernehmen und in ihren Preisen verarbeiten". Damit dürfte klar sein, dass zukünftigen Klagen gegen die Umsetzung der "neuen" Vorratsdatenspeicherung seitens verpflichteter Diensteanbieter wegen unverhältnismäßiger Kosten und Aufwände kein Erfolg beschieden sein wird, aber auch, dass letztendlich wir als Kunden über die Preise einen Anteil der Kosten für die technische und personelle Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und damit unserer eigenen Überwachung mitzutragen haben. Aber das war bisher schon bei allen anderen technischen Überwachungs-Infrastrukturen so, die Telekommunikationsunternehmen aufgrund neuer Sicherheitsgesetze umzusetzen hatten und gilt auch für die Zukunft. Alles in allem also eine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung, die, wie gesagt, zu erwarten war. Eine kräftige Ohrfeige und Warnung für die Bundesregierung, die sich schon darin ausdrückt, dass die gesetzlichen Grundlagen und die aktuelle Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung nicht nur für verfassungswidrig, sondern komplett für nichtig erklärt wurden. Auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts scheint man auch mit Blick auf die Gesetzgeber und die Exekutive der Europäischen Union, aber auch mit Blick auf die Zukunft der technischen Entwicklungen im Bereich der Überwachung den Punkt erreicht zu haben, wo es heißt "Bis hierhin, aber nicht weiter". Mit der Vorratsdatenspeicherung muss für das Gericht ein Schlusstrich gezogen werden, darüber hinausgehende Eingriffe in die Grundrechte der Bürger verbieten sich. Nun gut, es würden auch nur noch die zusätzliche Speicherung, Abfrage und Auswertung aller Inhalts- und Nutzungsdaten aller Internet- und Telekommunikationsdienste und die Verfolgung aller Maßnahmen zur Umgehung und Verhinderung der Telekommunikationsüberwachung und Vorratsdatenspeicherung fehlen, um vollends in einem Polizeistaat aufzuwachen. Schlimm genug, dass es in Zukunft eine neue Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung geben wird und man nicht auf Quick Freeze setzt, auch wenn sie durch das Gericht eine Menge von Sperrriegeln und Grenzen verpasst bekommen hat. Abzulehnen bleibt sie auch weiterhin. Das alle bisher angefallenen Vorratsdaten zusammen mit der "alten" Vorratsdatenspeicherung gelöscht werden und den Erhalt der Sperrriegel und Grenzziehungen haben wir aber nur einer fortgesetzten kritischen Aufklärungs- und Berichtsarbeit, dem praktischen Engagement vieler Leute und Organisationen, den Demonstrationen, dem Anwachsen einer Datenschutzbewegung und ihrer Internationalisierung, den Sammel-Verfassungsbeschwerden und Einzel-Verfassungsbeschwerden, den kritischen Stimmen aus Verbänden, von einzelnen Politikern im Bundestag und Journalisten in den Medien, aber nicht zuletzt auch den Richtern des Bundesverfassungsgerichts zu verdanken. Erinnern wir uns immer daran. Als Nachtrag zur Frage der Speicherungspflichten von Anonymisierungsdiensten hier noch drei Stellen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf "die Beschwerdeführerin" beziehen, die "Software für einen kommerziellen Internet-Anonymisierungsdienst entwickle und vertreibe. Der Dienst werde im Zusammenwirken mit anderen unabhängigen Betreibern erbracht, auf deren Servern ihre Software genutzt werde. Dabei betreibe die Beschwerdeführerin auch selbst einen öffentlich zugänglichen Anonymisierungsserver.": In Abs. 294 wird noch einmal festgestellt, dass zu den Speicherungsverpflichteten die Anonymisierungsdienste zählen, die öffentlich zugänglich und kommerziell betrieben werden:
Die Speicherungspflichten richten sich an solche Diensteanbieter, die öffentlich zugänglich Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt für Endnutzer erbringen (vgl. § 113a Abs. 1, § 3 Nr. 24 TKG) und damit an Dienstleister, die die Dienste jedenfalls typischerweise zu Erwerbszwecken anbieten.
In Abs. 295 erklärt das Bundesverfassungsgericht – wenn man es genau nimmt – ziemlich verkürzend, dass der hauptsächliche Zweck von Anonymisierungsdiensten in der Anonymisierung von statischen IP-Adressen (hat das BverfG dabei bereits IPv6 im Blick gehabt?) gegenüber privaten Webservern und im Schutz vor illegalen Zugriffen durch Dritte liegt, aber nicht aller IP-Adressen gegenüber allen Gegenstellen und für alle Internetdienste. Bei kommerziellen Anonymisierungsdiensten hat die Anonymisierung nur solange Bestand, wie Strafverfolgungsbehörden keine unmittelbaren Abfragen kompletter VDS-Daten bei Vorlage eines "bestimmte Tatsachen begründeten Verdachts einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat" vornehmen wollen. Die reine Auflösung von IP-Adressen in Name und Adresse (falls diese Beziehung überhaupt bei einem kommerziellen Anonymisierungsdienst existiert und nicht durch die anonyme Nutzung eines "Nutzerkontos" und anonyme Bezahlung unterbunden ist) durch Auskunftsersuchen mit niedrigeren Eingriffsschwellen (s. o.) berührt der Absatz nicht.
Jedoch führt die Speicherungspflicht nach § 113a Abs. 6 TKG nicht dazu, dass Anonymisierungsdienste grundsätzlich nicht mehr betrieben werden können. Die Anonymisierungsdienste können ihren Nutzern weiterhin anbieten, ohne Identifizierungsmöglichkeit der IP-Adresse durch Private im Internet zu surfen. Sie ermöglichen damit Nutzern, die eine statische (und folglich offene) IP-Adresse haben, ihre Identität zu verbergen und schützen andere Nutzer vor Hackern oder sonstigem illegalen Zugriff. Aufgehoben wird die Anonymität nur gegenüber den staatlichen Behörden und dabei auch nur dann, wenn nach den engen Voraussetzungen für die unmittelbare Verwendung der nach § 113a TKG gespeicherten Verkehrsdaten ein Datenabruf ausnahmsweise erlaubt ist. Abgehalten werden damit folglich allein Kunden, deren Anonymisierungsinteresse sich gegen die in solchen besonders schwerwiegenden Fällen ermittelnden Behörden richtet. Das Angebot eines Anonymisierungsdienstes wird dadurch nicht insgesamt hinfällig.
In Abs. 295 erklärt das Bundesverfassungsgericht, dass man als Betreiber eines kommerziellen Anonymisierungsdienste konkrete Beweise zu finanziellen Belastungen aufgrund der Umsetzung und Anwendung der VDS vorlegen muss, um existenzbedrohende Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG ("Berufsfreiheit") zu belegen und das Bundesverfassungsgericht zu veranlassen, dieser Argumentation zu folgen.
Insbesondere hat sie [die Beschwerdeführerin] auch in Bezug auf Anonymisierungsdienste eine über die bei den sonstigen Telekommunikationsunternehmen hinausgehende Belastung weder für sich noch für andere Anbieter solcher Dienste hinreichend nachvollziehbar durch konkrete Zahlen belegt. Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich aber eine Überschreitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Indienstnahme der Anonymisierungsdienste feststellen. Solange die Einschätzung des Gesetzgebers nur durch Vermutungen und Behauptungen in Frage gestellt wird, kann das Bundesverfassungsgericht dieser Frage nicht nachgehen.
Siehe auch (als Auswahl):Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - Nach Urteil: AK Vorratsdatenspeicherung fordert Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung in ganz Europa FoeBuD e.V. - Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Lob für das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung Deutscher Anwaltverein - DAV zum Vorratsdatenspeicherungs-Urteil: Jetzt muss die Politik nachbessern! Deutscher Anwaltverein - DAV: Bezüglich Vorratsdatenspeicherung EU-Richtlinie ändern Repoter ohne Grenzen - Reporter ohne Grenzen begrüßt Urteil zur Vorratsdatenspeicherung eco e. V. - Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig und nichtig eco e. V. - Jetzt brauchen wir die volle Kostenerstattung für die Vorratsdatenspeicherung! BITKOM e. V. - BITKOM begrüßt Entscheidung des Verfassungsgerichts Gewerkschaft der Polizei (NRW) - Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform machen Deutsche Polizeigewerkschaft - Polizei kann sich nicht mehr auf Gesetzgeber verlassen Bund Deutscher Kriminalbeamter - Strafverfolgung und Gefahrenabwehr werden im "www" verfassungsrechtlich bis zur gesetzlichen Neuregelung aufgegeben Bundesverband Musikindustrie e. V. - Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ermöglicht fairen Ausgleich zwischen Datenschutz und Interessen von Rechteinhabern Humanistische Union - Karlsruhe hat gesprochen, aber die Vorratsdatenspeicherung ist damit noch nicht endgültig vom Tisch Bundesministerium des Innern - Vorratsdatenspeicherung: Stellungnahme des Bundesinnenministers Bundesministerium der Justiz - Herausragender Tag für Grundrechte und Datenschutz Deutscher Bundestag - Innenausschuss debattierte über Urteil zu Vorratsdatenspeicherung (plus Auswirkungen auf SWIFT-Abkommen und PNR-Deals) Bundestagsfraktion Die Linke - Technischer K.o. für den Big Brother Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - //www.gruene-bundestag.de/cms/presse/dok/329/329680.kampf_gegen_vorratsdatenspeicherung_war@de.html">Kampf gegen Vorratsdatenspeicherung war erfolgreich Bundestagsfraktion FDP - Epochaler Sieg für die Bürgerrechte Bundestagsfraktion SPD - Freiheitsrechte sind auch im Internetzeitalter zu berücksichtigen Bundestagsfraktion CDUCSU - Vorratsdatenspeicherung weiter möglich – zügig neue Rechtsgrundlage schaffen, Endlich Rechtssicherheit durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Vorratsdatenspeicherung nicht per se verfassungswidrig Piratenpartei - Ein Sieg der Bürgerrechte - Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig Netzpolitik / Markus Beckedahl - Kommentar zum Vorratsdatenspeicherungs-Urteil Telemedicus / Adrian Schneider - BVerfG zu Vorratsdatenspeicherung: Was geht, was geht nicht? unwatched.org - VDS: Ein guter Tag für den Datenschutz Save-Privacy - Auf dem Weg zu einer wegweisenden Entscheidung Für weitere Beiträge surfe man die Rivva Resonanzen auf die Pressemitteilung des BverfG an. Sueddeutsche - "Die Normen fallen nicht vom Himmel" - Interview mit Hans-Jürgen Papier Sueddeutsche / Heribert Prantl - Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Gruslige Aussichten Spiegel / Christian Stöcker - Vorratsdatenurteil - Firewall für die Rasterfahnder FAZ / Frank Rieger (CCC) - Ein grundlegendes Urteil Zeit / Kai Biermann - Karlsruhe drückt den Reset-Knopf Focus / die Presseagenturen - Vorratsdatenspeicherung: BKA will schnell ein neues Gesetz Financial Times - Vorratsdatenspeicherung: Das Ende des Sicherheitswahns taz / Julia Seeliger - Kurs auf Straßburg taz / Christian Rath - Das Vorratsdaten-Urteil - Guter Tag für Bürgerrechte Freitag / Julian Heißler - Mit Sicherheit mehr Freiheit
Geschrieben von Kai Raven
in Anonymität, Anti-Überwachung, Data Mining / Fusion, Datenschutz, Geheimdienst / Polizei, Gesellschaft, Grundrecht, Internet / TeKo, Kryptografie, Politik, Terror, VDS
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20:07
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Von Datenbriefen und Internet-Führerscheinen - 01.03.2010
Bundesinnenminister De Maizière hat im Tagesspiegel vom 28.02.2010 den Gastbeitrag Digitaler Datenverkehr veröffentlicht, den man – da als Meinung und Kommentar deklariert – wie andere Statements zuvor, als seine persönlichen "Eckpfeiler der Internet- und Netzpolitik" bezeichnen kann oder in Anlehnung an die Arbeitsliste, die der CCC vor den Koalitionsverhandlungen ausgestellt hatte, als aktuelle Sammlung der Punkte, die er gerade auf seinem "Spickzettel" notiert hat.
Was davon in die tatsächliche Internet- und Netzpolitik der Bundesregierung einfließen wird, steht noch auf einem anderen Blatt, denn dazu wird der Koalitionspartner FDP auch ein Wörtchen mitreden wollen, es gibt jenseits von De Maizière in der CDU auch noch andere Leute wie Uhl und Bosbach und die Realpolitik sieht dann auch wieder anders aus, wie zum Beispiel De Maizière Abstimmungsverhalten zur SWIFT-Geschichte zeigte.
"Ich hätte mir ein anderes Urteil gewünscht, aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gilt. Das Gericht hat gesagt: So geht es nicht, aber anders geht es. Und ich füge hinzu: Und so muss es dann auch gehen."
Aber wenn wir mal davon absehen und uns an den reinen Wortlaut dieser Veröffentlichung halten, was steht denn so in diesem Spickzettel?Bundesinnenminister De Maizière in seiner Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung am 02.03.2010. Zuerst einmal, dass der Bundesinnenminister nichts von "Internet-Führerscheinen" und einem "Internet-TÜV" hält. Der Begriff des "Internet-Führerscheins" hat aus meiner Sicht zwei Ausformungen: Im Zusammenhang mit einem "Internet-TÜV" eine zwingend vorgeschriebene oder freiwillige Ausbildung "am Gerät", sprich die Erlernung des Umgangs mit dem Computer, der Software im Zusammenhang mit der Nutzung von Internetanwendungen und -diensten, mit anschließender Prüfung und Auffrischungen erworbener Kenntnisse und Ausstellung einer "Nutzungs- und Betriebserlaubnis". Auf Anbieter von Internetinhalten bezogen, könnten das Kennzeichnungspflichten oder gar Anmeldepflichten wie in China sein, mit Kontrolle durch staatliche Behörden, die regelmäßig nachschauen, ob auch alles seine Richtigkeit hat. Über die erste Ausformung könnte man sogar in anderer Gestalt nachdenken. An einigen Schulen laufen ja bereits Projekte, um Schülern die nötige Kompetenz im Umgang mit dem Computer, dem Internet, den Medien und den eigenen Daten zu vermitteln, besonders auf "Silver Surfer" abgestellte Kurse oder Kurse für interessierte Bürger an Volkshochschulen vermitteln "Senioren" und "Newbies" Kenntnisse und Tipps für den Umgang mit dem Internet. Das kann man ruhig ausbauen und wenn Teilnehmer am Ende ein nett gestaltetes Zertifikat mit dem Titel "Internet-Führerschein" erhalten, dass sie sich an die Wand pinnen oder abheften können, warum nicht. Da man es in Deutschland gerne mit Zwängen, Verordnungen, Prüfung und Kontrolle hat, verbunden mit der Absage, auch daraus wieder ein Fach zu machen, für das es Noten, Bestrafung oder staatliche Sanktionen und Kontrolle für diejenigen gibt, die nicht in das Bild des korrekten Internetnutzers passen. Es wäre auch absurd und nicht umsetzbar, die Internetnutzung jedes Bürgers vom Erhalt eines staatlichen "Internet-Führerscheins" oder "Internet-Zeugnisses" abhängig zu machen. Das wären mit den Worten des Innenministers gesprochen die "Karten", "Navigationssysteme", "Orintierungshilfen" und "Aufklärung", die sich die Bürger "selbtbestimmt" in "Privatautonomie" aneignen können. Über die zweite Ausformung denke ich gar nicht nach, sondern lehne es ab, bis vielleicht auf die bekannten und expliziten "ab 18 Bereiche". Zwangskennzeichnungen, Anmeldepflichten wie in China und Betriebsprüfungen von Inhalteanbietern wären auch in Deutschland entweder Vorstufen und Vorbereitungen oder Bestandteile von Zensur-Infrastrukturen. Die zweite Form des "Internet-Führerscheins", so wie er zum Beispiel auch von Leuten aus den Branchen für Biometrie- und Netzwerksicherheit-Lösungen oder Bereichen der Cyber-Kriminalitätsbekämpfung immer wieder angedacht wird, wäre die technische Umsetzung einer Identifizierungs- und Authentifizierungs-Infrastruktur, die vor jedem Internet-Zugang und bei jeder Nutzung von Internet-Diensten den permanenten Identitäts-Nachweis und die Möglichkeit der jederzeitigen Rückverfolgbarkeit und Aufdeckung der Identität zwingend voraussetzt – u. a. mittels eines "Identitäts-Token" wie dem auch vom Bundesinnenministerium geförderten elektronisch-biometrischen Personalausweises (ePA) oder "neuen Personalausweises" (nPA), wie er jetzt im Neusprech-Sprachgebrauch heißt und kontrollierter Internet-Dienste wie der De-Mail. Ob sich der Einzug biometrischer Identifizierungsmittel und elektronischer Identitäts-Dokumente nicht in diese Richtung mit den möglichen Kollateralschäden in Gestalt weiterer Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis und Aushebelung anonymisierter Nutzungsmöglichkeiten des Internets auswirken wird, kann auch der aktuelle Bundesinnenminister weder garantieren, noch ausschließen. Es bleibt auf lange Sicht gesehen fraglich, ob es in Zukunft dabei bleiben wird, dass "die Bürger selbstbestimmen, ob und in welchem Umfang sie diesen elektronischen Identitätsnachweis nutzen" und ob staatlich kontrollierte und reglementierte Dienste, wie es die De-Mail nun mal ist, langfristig nur "zusätzlichen Möglichkeiten" bleiben. Zum Komplex Datenschutz, Rechtsschutz Datenkontrolle nehme ich mal die Diskussion um den Datenbrief heraus, einer Idee des CCC, die De Maizière nach seinem "Dialog mit der Netz-Community" auch in diesem Spickzettel aufgreift. Zuerst einmal ist positiv zu vermerken, dass der Bundesinnenminister feststellt, dass "die Nutzer eine echte Wahl haben müssen, ob sie etwa die Weitergabe ihrer Daten akzeptieren oder nicht", denn wenn dieser Feststellung gefolgt wird, bedeutet sie die grundsätzliche Absage an jede Opt-Out Stategie und das grundsätzliche Opt-In, sprich es können Daten nicht erst erhoben, gesammelt und weitergegeben werden und der Kunde, Nutzer muss seine Verneinung äußern, sondern es ist immer die Einwilligung des Kunden und Nutzers nötig. Würde aber auch bedeuten, dass Opt-In in vollem Umfang gilt und man keine Ausnahmen gewährt, wodurch sich wieder Schutzlücken auftun und Datenschutz verwässert wird. Das kennen wir ja bereits. Ob er sich damit immer gegen Lobbys wie die der Werbeindustrie und die Kollegen der eigenen Partei und des Koalitionspartners durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Ich würde auch nicht defensiv darauf warten und setzen, dass sich auf Seiten der Datensammler aller Art "freiwillig" und "selbstverpflichtend" in der Hinsicht etwas bewegt. Das mag dem eigentlich positiven Grundtenor entsprechen, zuerst den Dialog zu suchen und Überlegungen anzustellen, anstatt alles sofort mit Gesetzen und Verordnungen regeln zu wollen und es entspricht auch den politischen Prinzipien der CDU und FDP, den privatwirtschaftlichen Bereich möglichst nicht zu behelligen und erst einmal selbst wurschteln zu lassen. Aber ich kann mich leider nicht an positive Entwicklungen und Resultate erinnern, die auf Selbstverpflichtungen und den Willen basierten, sich freiwillig zu reglementieren und zu beschränken. Das bleibt nicht zielführend und erfolgversprechend. Was mir zu diesem Punkt, wie auch zum Punkt der nachträglichen Datenschutzkontrolle per Datenbrief in den Ausführungen De Maizières fehlen, sind eindeutige Positionen zur staatlichen Datensammelei und Kontrolle der Daten, die staatliche Stellen gesammelt haben. Die Prinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung werden zwar angetippt, aber sie zu Eckpfeilern staatlichen Handelns zu machen und darzustellen, wo und wie sie umgesetzt werden sollen, war für mich nicht erkennbar. Dabei wäre es gerade im Angesicht der SWIFT-Debatten, dem Flugpassagierdatenaustausch, der Vorratsdatenspeicherung und auch dem von De Maizière verfolgtem Ziel, den europäischen und internationalen Datenaustausch und Vernetzungsgrad der Sicherheitsbehörden weiter voranzutreiben, äußerst interessant gewesen, wie dazu De Maizières Positionen aussehen. Was den Datenbrief angeht, zeichnen sich De Maizières Ausführungen wiederum dadurch aus, dass er zu gleichartigen Verpflichtungen von Stellen und Behörden des Bundes, der Länder und Kommunen nichts ausführt. Ich kann mich an die Veröffentlichungen von Datenschutz-Checkheften der Landesdatenschutzbehörden erinnern, in denen der Bürger Karten finden kann, mit denen er bei einzelnen Stellen manuell anfordern muss, welche Daten von ihm gespeichert wurden. So sollte es nicht weitergehen, sondern die staatliche Sektoren müssen auch in das Datenbrief-Konzept integriert sein – wenn es zu einer Umsetzung des Datenbrief-Konzeptes kommen würde. Generell finde ich die Idee des Datenbriefs positiv. Schon alleine deshalb, weil an die Stelle der Holschuld des Bürgers und Kunden, um an die Auskunft zu den Daten zu gelangen, die erhoben, gespeichert, gesammelt und weitergegeben wurden, die Bringschuld des Staates und der Wirtschaft gesetzt würde. Das betrifft zum Beispiel auch die Daten einer Schufa, die man sich ab dem 1. April einmal im Jahr selbst abholen muss. Beim Datenbrief steckt laut De Maizière "der Teufel im Detail". Es werden mehrere Teufel sein. Ein Teufel wäre die Frage, wie ich an den oder die Datenbriefe komme? Ein zentraler Datenbrief, der alle Datensätze, Quellen und Ziele von der Datenerhebung bis zur Datenweitergabe in sich vereinigen würde, verbietet sich schon von selbst, denn ein besseres Gesamtprofil könnte man sich nicht vorstellen. Datenbriefe dürften nicht zu neuen Möglichkeiten führen, direkt oder über Verknüpfungen Gesamtprofile zu erstellen. Ein zentraler Datenbrief-Index, ähnlich wie man es uns bei den Antiterrordatenbanken vorgemacht hat, der Querverweise zu den eigentlichen Datenbriefen oder Meldungen zu neuen Datenbriefen enthält, die aber so gestaltet wären, dass sich trotzdem ein Dritter, der Einsicht haben könnte, kein Gesamtprofil erschließen kann, sondern nur der eigentliche Datenbriefempfänger (pseudonyme Kennungen, die der Datenbrief-Empfänger zu Klartext-Verweisen entschlüsselt?), schon eher, wenn dieser Index technisch so abgesichert werden kann, dass er nur dem Datenschutz-Empfänger zugänglich ist. Oder setzt man sofort oder besser auf vollständige Dezentralisierung? Dann würde man entweder von jedem Unternehmen und jeder staatlichen Stelle entweder postalisch per Brief oder per signierter und verschlüsselter E-Mail die jeweiligen Datenbriefe zugestellt bekommen. Eigentlich eine der möglichen "Killer-Anwendungen" für die De-Mail und De-Datentresore, wenn man denn vom nPA und den De-Mail und De-Datentresor Konzepten überzeugt ist. Daraus dann aber die Wege und Weitergaben wirklich nachzuvollziehen, was ja auch ein Anstoß des Datenbriefs war, dürfte sich schwierig gestalten, genauso wie das Management aller erhaltenen Datenbriefe. Geht man den elektronischen Weg, wären dafür neue Anwendungen nötig, aber aus meiner Sicht auch möglich. Geht man den Papierweg, sind volle Aktenordner und Aktenwälzen angesagt. Für den Staat, aber auch für den Bürger, ist auch hier die Frage der Ausnahmen von Interesse. In den Sicherheitsgesetzen und innerhalb der politischen Kontrollstrukturen gibt es ja Regelungen, die für den Erfolg von Ermittlungen und nationalen Sicherheitsinteressen, Geheimhaltungspflichten und -möglichkeiten den Zugang zu Daten behindern, einschränken oder versagen. Hier den Ausgleich zwischen legitimen Sicherheitsinteressen des Staates und der Gefahr, dass sich der Staat zu sehr von einer Datenbrief-Pflicht herausnimmt, zu finden, wäre ein weiteres Teufelchen. Das war nur eine kleine Auswahl von Teufeln, die mir auf Anhieb einfielen. Es gibt mit Sicherheit mehr davon, aber keine Teufel, die man aus meiner Sicht nicht im Dialog, mit den vom CCC angesprochenen Beratungen mit Datenschutz- und Datensicherheitsexperten, politisch wie auch praktisch-technisch bewältigen könnte. Doch, einen dicken "Teufel" in Sachen Datenbrief gibt es noch und das ist die sogenannte "Bürgerrechtspartei" FDP. Deren innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, ist im Ergänzungsartikel CDU: Mehr Kontrolle von Internetdaten (warum hat man ihr nicht die Gelegenheit einer ausführlichen und differenzierten Gegen-Meinung gegeben?) mit den Statements zu vernehmen, dass "'ein solcher bürokratischer Aufwand, der mit hohen Kosten für die Unternehmen verbunden ist, durch nichts gerechtfertigt ist.' Zwar teile sie die Forderung des Innenministers nach mehr Transparenz, aber 'man muss prüfen, ob es nicht weniger bürokratische und effektivere Wege als den Datenbrief gibt'. Piltz forderte, in erster Linie müssten die Unternehmen möglichst kostenlos Daten zur Verfügung stellen, diese sollten aber von den Firmen nicht ungefragt und automatisch versendet werden müssen." Es überrascht mich natürlich nicht, dass die FDP dort mit Bürgerrechten und Datenschutz Halt macht, wo die Interessen ihrer Klienten anfangen. Zu den Statements von Gisela Piltz ist zu sagen, dass "Unternehmen" auch keine Kosten und keinen bürokratischen Aufwand scheuen, wenn es darum geht, für Werbezwecke, Kundenprofile, Verbesserungen der Marktpositionen und Erhöhung des Profits Daten zu erheben, zu speichern, zu sammeln, weiterzugeben oder zu verschachern. Und ohne vorherige Klärung des tatsächlichen Umsetzungaufwandes eines Datenbriefes oder den Möglichkeiten, Datenbrief-Funktionen in bestehende Strukturen zu integrieren, sofort von einem ungerechtfertigten Aufwand loszuplärren, spricht genauso eine deutliche Sprache wie ihr Bild vom Bürger und Kunden, der weiterhin als Bittsteller mit Holschuld seiner Daten habhaft werden soll. Und wo sie gerade von Transparenz spricht, sei an dieser Stelle an den von ihr eingebrachten Bundesparteitagsbeschluss Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich verbessern der FDP von Mitte 2008 erinnert. Wie heißt es dort so schön:
Die FDP fordert, die gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich mit dem Ziel zu überarbeiten, den Grundsatz der Datensparsamkeit zu stärken und seine Achtung zu gewährleisten, die Transparenz der Datenverarbeitung größtmöglich zu erhöhen und somit mehr eigenverantwortliches Handeln der
betroffenen Personen zu fördern.
Ich denke, eine Umsetzung des Datenbrief-Konzepts würde gehörig zu einer "größtmöglichen Transparenz der Datenverarbeitung" beitragen und "zentral" für die Information der Verbraucher sein. Aber schöne Worte und Forderungen kann man für die Profilierung als "Bürgerrechtspartei" vor Wahlen und Teilhabe an der politischen Macht immer aufstellen, danach gelten das Gegenteil und die Interessen anderer Kreise.Datenschutzrechtliche Regelungen im nicht-öffentlichen Bereich sollen vor allem das Fundament für Transparenz und Überprüfbarkeit der Verarbeitungsprozesse legen. Nur dann können die Beteiligten eigenverantwortlich über ihre Daten bestimmen. Für die FDP ist daher insbesondere zentral, dass die Verbraucher darüber informiert werden, welche Daten zu welchem Zweck erhoben, gespeichert und verwendet werden, wie sie diese einsehen und ggf. korrigieren können und wer die verantwortliche Stelle für die Datenverarbeitung ist. Siehe auch: tageszeitung (CCC) - Denn sie sagen nicht, was sie tun (12.03.2010) FDP-Bundestagsfraktion - Piltz: Klares "Ja" für mehr Transparenz (01.03.2010) tageszeitung - Kritik aus Wirtschaftsflügeln, vier Minister für Datenbrief (04.03.2010)
Geschrieben von Kai Raven
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